Der Gründer

Gerhard Steiff

Der Kirchenmusiker Gerhard Steiff gründete, mit organisatorischer Hilfe durch Frau Ursula Habermaas, im Juli 1989 in Tübingen den Verein A cappella e.V.
Als in Süddeutschland sehr bekannter Kirchenmusiker prägte Gerhard Steiff über viele Jahre hinweg das kirchenmusikalische Leben in Tübingen und Umgebung in besonderer Weise.

Gerhard Steiff, Jahrgang 1937, stammte aus Giengen (Brenz). Er bekam schon früh Klavier- und Orgelunterricht und sammelte bereits als Schüler an der Musikschule Giengen erste Dirigiererfahrungen. Ab 1952 leitete er die Seminaristenkantorei in Schöntal und nahm Kontrabassunterricht.
Von 1956 bis 1962 studierte Gerhard Steiff Theologie im Evangelischen Stift in Tübingen, in Zürich und in Heidelberg, in dieser Zeit leitete er zeitweise die Kurrende der evangelischen Studierendengemeinde in Tübingen, war als Kontrabassist tätig und gründete dann 1959 den schwäbischen Studentenchor, der in den Jahren 1959 bis 1964 zu Singfreizeiten und Konzerten zusammenkam.
Von 1962 bis 1963 schloss sich das Vikariat in Denkendorf im Kreis Esslingen an.
1963 heiratete er Suse Ludwig, die ihm eine verlässliche Helferin war.
Im gleichen Jahr nahm er ein Studium der evangelischen Kirchenmusik an der Staatlichen Hochschule für Musik in Stuttgart auf, studierte dort Chor- und Orchesterleitung bei Hans Grischkat, Orgel bei Hans-Arnold Metzger, Klavier bei Dora Metzger und Tonsatz bei Joh. Nep. David und Erhard Karkoscha und schloss das Studium nach nur fünf Semestern erfolgreich mit dem A-Examen ab.
Danach erfolgte wiederum ein Jahr theologisches Vikariat an der Stadtkirche Ludwigsburg, bis 1966 dann die schwerpunktmäßige Hinwendung zu kirchenmusikalischen Tätigkeiten erfolgte, indem Steiff Musikrepetent am Evangelischen Stift in Tübingen wurde.
Seither lebte und wirkte Gerhard Steiff in Tübingen.
1968 bis 1985 war er Kantor an der Stiftskirche in Tübingen, bis ihn eine lebensbedrohliche Erkrankung dazu zwang, vorzeitig aus dem Berufsleben auszuscheiden.
Nach längerer Rehabilitation nahm er seine musikalischen Aktivitäten wieder auf, als Komponist, Kritiker, Theoretiker und natürlich auch als Dirigent.

Gerhard Steiff leitete viele Chöre,dirigierte unterschiedliche Instrumentenensembles und war oft selbst an der Orgel tätig.
Besonders bekannt geworden ist er aber auch durch seine Kompositionen, in denen sich, neben neuen Klangideen und Musikstrukturen, ausdrückte, was ihm auch weltanschaulich wichtig war: Sich engagieren, nicht alles hinnehmen, auch unangenehme Themen und Ungerechtigkeiten benennen und schon auch einmal provozieren.
Gerhard Steiff hat in der Festschrift „20 Jahre Tübinger Kammerchor“ (1990) selbst beschrieben, welche Hauptaspekte in der Musik für ihn wichtig waren: Die Neue Musik - als Alternative zum bequemen Musikkonsum, die aktuelle Interpretation alter Musik - als Hilfe zu heutiger Existenzdeutung - und die politisch engagierte Musik gegen faschistoide Tendenzen in Kirche und Gesellschaft.
Seine Komposition „Die Kamele“ (1985) steht für diese Haltung Steiffs.
Die Uraufführung in Bad Urach im Jahr 1986 provozierte einen Aufruhr, der vielfältige Diskussionen in diversen kirchenmusikalischen und theologischen Gremien nach sich zog und dann sogar dazu führte, dass Steiff vom Amt des Obmanns des Verbandes Evangelische Kirchenmusik in Württemberg zurücktreten musste.

Gerhard Steiff, der das Bundesverdienstkreuz aus politischen Gründen abgelehnt hatte, wurde im Jahr 2001 mit der Staufer-Medaille geehrt, mit der das Land Baden-Württemberg Persönlichkeiten ehrt, die sich in besonderer Weise für das Land verdient gemacht haben.

Die Arbeit mit Chören war Steiff besonders wichtig.
Mit seiner Art, Musik auch auf dem Hintergrund ihrer theologischen und zeitgeschichtlichen Wurzeln zu deuten und zu erklären, gleichzeitig eigene musikalische Vorstellungen mit ihr zu verwirklichen, zog er in Tübingen und Umgebung zahlreiche begabte Sänger und Sängerinnen unterschiedlicher Grundprofessionen an.
Der von ihm 1970 gegründete Tübinger Kammerchor, erst angesiedelt im Kantorat der Stiftskirche und ab 1985 umgewandelt in einen eingetragenen Verein, erarbeitete sich mit Gerhard Steiff viele kirchenmusikalische und weltliche Stücke.
Aufführungen des Tübinger Kammerchors zogen viele auch junge Zuhörer und Zuhörerinnen in die Stiftskirche und ernteten Presseechos wie „Tiefschürfende Exegesen“ oder „Wachsame Kirchenmusik“.

1992 gründete Gerhard Steiff ein kleines Vokalensemble, das sich den Namen Tritonus gab.
Mit diesen 12 bis 16 Sängerinnen und Sängern verwirklichte er bis zum Jahr 2001 seine Interpretationsideen von Neuer und Alter Musik mit einem sehr hohen Qualitätsanspruch.

Die Chortagungen des Vereins A cappella e.V. wurden von 1989 bis 1999 von Gerhard Steiff konzipiert und geleitet.
Seine Ideale und Ideen sind, auch nach inzwischen etlichen Chortagungen unter anderer Leitung, immer noch die Leitgedanken der Mitglieder von A cappella e.V.
Es gilt immer noch seine Aufforderung: „Sing nicht nur schöne Töne, mache Musik“.

Am 22. Oktober 2011 ist Gerhard Steiff gestorben.

Dr. Irene Faupel, nach Gesprächen mit Gerhard Steiff und nach eigenen Erlebnissen und Unterlagen aus ihrer Zeit als Chorsängerin in seinen Chören